19 FRAGEN AN DEAF TRAVELER
In unserer Rubrik „Deaf Traveler – Interviews“ geben Dir andere Gehörlose einen Einblick in ihre Welt des Reisens. Sie teilen mit Dir ihre Erfahrungen, Tipps, Träume und vieles mehr. Lass Dich inspirieren!
Wir sind froh zum Start ein ganz besonderes Interview euch vorstellen zu können. Thomas Eller hat bereits ca. 40 Länder gesehen und er begleitet SIGN TOURS bereits seit fast der ersten Stunde. In seinen Kanälen gibt er Dir einen Einblick in seine Welt des Reisens und lässt Dich hier nun ebenfalls daran teilhaben. Viel Spaß beim lesen des ersten Teils unseres Deaf Traveler Interviews.
Erzähle unseren Lesern doch bitte zuerst wer Du bist?
Ich bin Thomas, 38 Jahre alt, von Geburt an hochgradig, an Taubheit grenzend, schwerhörig und komme aus Essen. Als Lehrer an einer Hauptschule unterrichte ich Mathematik und Englisch. In meiner Freizeit reise ich sehr gern, gehe laufen, stehe am Herd oder bin mit Freunden unterwegs.
Wenn Du nicht gerade unterwegs bist, was machst Du sonst?
Bin ich nicht mal unterwegs oder auf Reisen, findet mich man meistens auf Laufstrecken im Herzen des Ruhrgebietes oder im Klassenraum, umgeben von ebenfalls hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern. Sollten diese nicht der Fall sein, findet mich man meistens in der Küche beim Backen oder Kochen. In meiner Freizeit geh ich, so oft ich kann, draußen laufen.
Horseshoe Bend, USA
Was begeistert Dich am Reisen?
Vieles. Reisen löst bei mir Glücksmomente aus, wie z.B.:
-Dinge, die du zum ersten Mal erlebst und die dich stolz zurückblicken lassen
-Dinge, die aufregend sind und die du meisterst (mein erster Marathon in der Wüste von Wadi Rum)
-Dinge, die so groß sind, dass Du schon im Erleben ungläubig bist und dich die Erinnerung sprachlos macht (beim Baden in der Karibik unerwartet von Delfinen überrascht worden)
-Dinge, die uns fast betrunken vor Glück machen (atemberaubende Naturgewalten in den Nationalparks, Begegnungen mit wilden Tieren)
Mit dem Zitat von Joseph Freiherr von Eichendorff „Wo ein Begeisterter steht, da ist der Gipfel der Welt“ möchte ich hiermit sagen, dass im Entdecken mir die Begeisterung wohl am Leichtesten gelingt.
Kein Wunder, dass wir uns alle mit immer neuen Reisen und Ereignissen auf Reisen versuchen, zu begeistern. Zumindest unterbewusst, ist mir meistens klar, wie positiv sich begeisternde Momente auf Reisen anfühlen. Die Begeisterung ist ein Superkraftstoff für unser Leben.
Wenn wir etwas mit Begeisterung unternehmen, machen wir schnell Fortschritte, sind glücklich mit uns und stecken im Idealfall sogar noch andere an. Grund genug, danach zu streben, mehr zu reisen. Reisen bildet und macht dich zu einem neuen Menschen
„Reisen bildet und macht dich zu einem neuen Menschen“
Wie oft verreist du im Jahr?
Im Jahr verreise ich im Schnitt 6-7 mal. Aufgrund meines Berufes kann ich meistens nur in den Schulferien verreisen, aber versuche auch mal, im neuen Jahr öfters am Wochenende zu verreisen. 2019 wird für mich auf jeden Fall spannend werden
Wo warst Du bisher überall?
Da mir das Reisefieber früh in die Wiege gelegt wurde und meine Eltern auch sehr gerne verreisen, wird die Liste recht lang, wo ich bisher überall war. Diese Länder habe ich bereits besucht:
Kanada, USA (Westen und Osten), der ganze Karibikraum mitsamt allen Inseln, Mittelamerika (Mexiko, Belize, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama und Nicaragua), Russland, Lettland, Litauen, Polen, Spanien, Frankreich, Italien, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Schweiz, Österreich, Tschechien, Slowakei, Monaco, Vatikanstadt, Griechenland, Kykladen, Balearen, Nordafrika, San Remo, Großbritannien, Schottland, Norwegen, Schweden, Finnland, Taiwan, Australien, Neuseeland, Singapur, Jordanien, Kanaren, Mauritius, Seychellen, Bulgarien, Holland, Estland, Weißrussland, Hawaii
Half Dome, Yosemite National Park, USA
Was war bisher das beeindruckendste oder verrückteste was du bisher gesehen hast und warum? Welches Reiseland hat dein Herz verzaubert?
Das ist eine recht schwierige Frage, da ich ganz viele Favoriten habe. Das beeindruckendste, was ich bisher gesehen/besucht habe, war Mauritius, die Perle im Indischen Ozean. Dort habe ich Weihnachten und Silvester mit meiner Familie im Jahr 2010 verbracht. Puderzuckerweiße Strände, das Meer in allen Blautönen, funkelnd wie Edelsteine, mit Muscheln komplett überzogene Strände, die blütenreiche Flora (Mangos, Cashewbäume, Papayas, Kaffee,…..), ein traumhaftes Hotel und eine Regendusche, inmitten im Regenwald. Jeden Tag wachte ich auf und dachte, ich würde träumen. Das alles hat mich sehr beeindruckt. Besonders angetan hat mich die recht arme Bevölkerung dort, die trotz des Armuts sehr gastfreundlich und fröhlich war.
Das verrückteste Reiseziel in meinem Leben war die Teilnahme am Wüstenmarathon in der Felsenstadt Petra, Jordanien, in diesem Jahr im September. Dort lief ich meinen ersten Marathon bei Backofentemperaturen von über 38 Grad im Schatten und musste viele Berge erklimmen. Ich konnte es kaum fassen, dass ich trotz der Höllenhitze und bei extremen Belastungen Vierter wurde.
Die Felsenstadt hat mich besonders angetan, die rot-ockerfarbenen Tönen, die Schluchten und die ganzen Felsenumrisse. Das war wahrlich ein Abenteuer, den ich so schnell nicht vergessen werde. Das Land, das mein Herz total verzaubert hat, ist eindeutig die USA. Jedes Mal, wenn ich in Kalifornien bin, fühle ich mich wie zu Hause und wie ein Amerikaner. Die ganzen Nationalparks, die tollen Wanderwege (Hiking-Trails), die offenen Amerikanern, die sehr gut mit behinderten Menschen umgehen können und deren Lebenseinstellung. Mich zieht es immer wieder in die USA und dort fühle ich mich glücklich.
„Das verrückteste Reiseziel in meinem Leben war die Teilnahme am Wüstenmarathon in der Felsenstadt Petra, Jordanien“
Die für Dich persönlich beste Unterkunft bisher war…?
…das Beachcomber Hotel Shandrani Resort auf Mauritius.
Von welchem Reiseziel warst du enttäuscht?
Richtig enttäuscht war ich von der Hauptinsel Hawaiis, Oahu. Die Hauptstadt Honolulu hat mich bis ins Knochenmark erschüttert. Massentourismus ohne Ende und Einkaufsstraßen, übersät mit Luxusgeschäften und Restaurants, dagegen ist Ballermann auf Mallorca recht harmlos. Da ist kein Hauch vom typischen Hawaii-Flair zu spüren. Zum Glück blieb ich dort nur einen Tag und die anderen Inseln (Big Island, Maui und Kauai) haben mein erschütterndes Vertrauen in Hawaii wieder komplett hergestellt mit unberührten Naturflecken, atemberaubenden Naturgewalten und reicher Flora und Fauna.
Ist schon einmal etwas so richtig schief gelaufen auf einer Reise, oder hast Du es sogar schon einmal mit der Angst zu tun bekommen?
Zum Glück musste ich bisher diese Erfahrung nicht machen. Ich bin darauf vorbereitet, dass etwas passieren kann, aber ich lebe nach dem Motto: Genieße deinen Tag als wäre es Dein letzter Tag.
Erfahre demnächst in Teil 2 des Interviews mit Thomas, wie er seine Reisen plant, was er anderen Deaf Travelern mitgeben möchte und vieles mehr…